Pflege steckt in einer tiefen Krise

Die größte Beteiligung aller Zeiten konnte die bpa
Landesgruppe MV in den beiden vergangenen Tagen bei der Qualitätskonferenz in Linstow verzeichnen. Über 600 berufliche Pflegende waren dabei und tauschten sich rege aus.

Wie es zu erwarten war, war die Konferenz von einem wesentlichen Thema überlagert – „Wie wirtschaftlich tragfähig ist mein Pflegedienst noch?“

Unternehmensberaterin Dr. Sabine Reetz und Steuerberater Holger Reetz aus Rostock, welche beide mehr als 100 Pflegeunternehmen in MV zu ihren Mandanten zählen, fanden deutliche Worte – „Die ambulante Pflege steckt in einer schweren wirtschaftlichen Krise“. Es wurde deutlich, dass der Abschluss der Vergütungsverhandlungen für die häusliche Krankenpflege eher unbefriedigend
ist, jedoch im Hinblick auf die Existenz- und Liquiditätssicherung als Kompromiss verstanden werden. Ein wichtiger Schritt um Insolvenzen abzuwenden.

Frau Reetz ist eher als Hoffnungsträgerin und Optimistin bekannt und hat das verdeutlich wie wichtig jetzt Zusammenhalt aber auch wirtschaftliches Handeln ist. Die Wirtschaftlichkeit rückt deutlich stärker in den Vordergrund – die Pflegeunternehmer sahen dabei große Sorgen, dass die
Würde, die Selbstbestimmung und die Menschlichkeit – welche die Pflege im Wesentlichen kennzeichnen, völlig auf der Strecke bleiben.

Thomas Witte vom Pflegedienst Witte aus Rostock wird dabei nicht müde zu betonen, dass die ambulante Pflege nicht zur Rennpflege verkommen darf. Wesentliches Merkmal der politisch immer wieder betonten Notwendigkeit guter Arbeitsbedingungen ist in der ambulanten Pflege eine effiziente und zugleich nicht überfordernde Tourenplanung. Die sogenannte Rennpflege würde die
Arbeitsbedingungen erheblich verschlechtern.

Andreas Heiber, bundesweiter Unternehmensberater in der Pflegebranche betonte, dass die ambulante Pflege den wesentlichen Beitrag zur pflegerischen Versorgung in Deutschland leistete. Während es faktisch im stationären Altenhilfebereich in den letzten Jahren keinen Ausbau der
Pflegeplätze gab, waren es die privaten Pflegeunternehmer, welche auf die Bedürfnisse der Menschen reagiert haben und die Lebensqualität auch bei Pflegebedürftigkeit sicherstellte. Gleich mit einem ganzen Bündel an Sofortmaßnahmen für die wirtschaftliche Krise der Pflegedienste kam Herr Heiber nach Linstow.

Eines wurde aber deutlich. Es wird Geld kosten und zwar am Ende immer den Bedürftigen oder dem Sozialhilfeträger. „Pflege kann sich heute schon die Mehrheit der BürgerInnen nicht leisten“

Das Netzwerk Pflege in Not in MV wird deshalb nicht müde, auch in den nächsten Wochen die Forderungen des Netzwerkes laut und deutlich auszusprechen.

Bereits auf unserer Demonstration am 12.06.2023 in Schwerin machte unserer Sprecher deutlich. Es muss Schluss sein, zwischen dem Ping Pong Spiel zwischen Bund, Landesregierung und Kostenträger. Es bedarf einer Agenda für eine Demographie- und Zukunftssichere Pflege.

Es reicht nicht aus, dass die Landesregierung nach Berlin den Ruf einer Reform sendet, sondern diese muss dafür in den zur Verfügung stehenden Gremien klare Forderungen benennen und endlich Tacheles reden. Und dabei darf nicht vergessen werden, dass es auch Themen gibt, welche im Land MV zu bewerkstelligen  sind. Gesicherte Finanzierung der Ausbildung und der Fachkräftezuwanderung, zügige Bearbeitung von Anträgen im Bereich Hilfe zur Pflege, ausreichend schulische Kapazitäten für die Ausbildung und auch eine finanzierte Pflegehelferausbildung seinen dabei nur Beispielhaft genannt.

Das Netzwerk Pflege in Not spürte in Linstow eine Aufbruchsstimmung. Norbert Grote, Bundesgeschäftsführer sprach von der Notwendigkeit die Herausforderungen der Pflege deutlich stärker in den politischen Raum zu tragen. Sven Wolfgram als Geschäftsbereichsleiter ambulante Versorgung reiste auch aus Berlin an um vor Ort den gemeinsamen Schulterschluss zu betonen.

Um auf die Situation aufmerksam zu machen fuhren am Dienstag späten Nachmittag rund 50 Fahrzeuge in einem Autokorso von Linstow nach Güstrow.